UPGRADE | Wie der Wandel zu einer flachen, agilen Organisationsstruktur gelingt
Mehr Kompetenzen und Verantwortung für die Mitarbeitenden – mit diesem Ziel schlug die Stiftung Scalottas vor drei Jahren den Weg zu einer flachen, agilen Organisationsstruktur ein. Dabei sammelte die Projektgruppe fünf signifikante Erfahrungen. Welche das waren und wie es nun weitergeht, erfahren Sie hier.
Die Stiftung Scalottas in Scharans macht sich fit für die Zukunft: Weg von hierarchischen Strukturen, hin zu mehr Kompetenzen für die Mitarbeitenden – und zu mehr Verantwortung. In den ersten drei Jahren des Projekts haben die Fach- und Führungsverantwortlichen eine agile, flache Organisationsstruktur entwickelt und in der Praxis getestet. Nun startet die zweite Phase: der Transfer der neuen Zusammenarbeitsformen zu den 190 Mitarbeitenden. Die Stiftung Scalottas lässt uns an ihren Erfahrungen aus dem bisherigen Change-Prozess teilhaben.
Die Lebensqualität der Bewohnenden stärken und die Attraktivität als Arbeitgeberin erhöhen: Diese Ziele verfolgt die Stiftung Scalottas (Kompetenzzentrum für die Förderung und Betreuung von Menschen mit Behinderung in Scharans) mit der Organisationsentwicklung.
Das Ziel sind agile Arbeitsformen, die weitgehend auf einer Selbstorganisation der Organisationseinheiten basieren. Das zeigt sich auch im neuen Kreisorganigramm, welches 2023 eingeführt wurde. Von diesem neuen Verständnis der Zusammenarbeit fühlen sich nicht nur jüngere Fachkräfte angesprochen und es motiviert Mitarbeitende, ihr Bestes einzubringen. Die Bedürfnisse verschiedener Mitarbeitergenerationen sollen berücksichtigt werden. Motivierte und zufriedene Mitarbeitende ermöglichen den Bewohnenden eine hohe Lebensqualität. Diese Vision steht hinter dem Entwicklungsprozess.
Erfahrung 1: Agilität braucht Klarheit – mehr noch als bei hierarchischen Organisationsformen
Anstelle des hierarchischen Organigramms hat die Stiftung Scalottas eine Kreisorganisation eingeführt und die mittleren Führungsebenen auf Stufe Bereich und Abteilungen aufgehoben. Neu gibt es nur noch Fach- und Führungsverantwortliche sowie die Geschäftsleitung. Von insgesamt 215 Mitarbeitenden tragen heute rund 25 eine Fach- oder Führungsverantwortung. Der Abbau von Führung muss jedoch kompensiert werden, indem klare Regeln, beziehungsweise klare Rahmenbedingungen geschaffen werden. Für die Mitarbeitenden ist es wichtig, den Rahmen zu kennen, in dem sie handeln können.
Erfahrung 2: Nicht nur Aufgaben, sondern auch Kompetenzen und Verantwortungen übernehmen
Mitarbeitende sollen vermehrt mitwirken, mitgestalten und mitverantworten dürfen. Wichtig ist, dass sie nicht nur Aufgaben, sondern auch Kompetenzen und Verantwortung übernehmen können. Ziel der neuen Kreisorganisation ist, Entscheidungen vermehrt dort zu fällen, wo deren Auswirkungen zu tragen sind. So erhalten die einzelnen Organisationseinheiten deutlich mehr Kompetenzen. Beispielsweise entscheiden Wohngruppen selber über die Anstellung von Personal und tragen damit auch die Konsequenzen ihrer Entscheidung.
Erfahrung 3: Es braucht Mut, eine Phase der Unklarheit auszuhalten
Organisationsveränderung bedeutet, dass Sicherheit verloren geht. Obwohl Unklarheiten aufgenommen und wo immer möglich geklärt werden, lassen sie sich nicht ganz vermeiden. Deshalb geht es auch um den Lernprozess, mit Unklarheiten umzugehen. Gefragt ist ein positiver Umgang mit Veränderung und Vertrauen. Wichtig dabei ist, diese Themen offen zu thematisieren.
Erfahrung 4: Der Wechsel braucht Zeit
Das Projekt Organisationsentwicklung startete 2021. In einem ersten Schritt haben die Fach- und Führungsverantwortlichen der Stiftung Scalottas Grundlagenarbeit geleistet, unter anderem das neue Kreisorganigramm erarbeitet, Leistungsaufträge für alle Organisationseinheiten formuliert, wichtige Koordinations- und Entscheidungsgremien gebildet und im Führungsleitbild grundsätzliche Haltungen und Werte definiert. Und sie nahmen sich bewusst Zeit, die Auswirkungen der neuen, agilen Organisationsform auf der Ebene Fach- und Führungsverantwortliche selber zu erfahren und immer wieder zu reflektieren. Auch lernten sie aus ihren Fehlern und entwickelten die Strukturen weiter. Dies war gerade im Hinblick auf den nun folgenden Schritt, den Transfer zu den Mitarbeitenden, wichtig. Nichtsdestotrotz: Auf diesem Weg gab und gibt es Auf und Ab, Krisen und Erfolgserlebnisse. Und es gibt noch viel zu lernen.
Erfahrung 5: Bestehendes und Bewährtes berücksichtigen und darauf aufbauen
Veränderung ist nicht für alle gleich einfach, doch Ängste sind auf allen Seiten da: Manche haben Angst, dass man im Bestehenden verhaftet und sich zu wenig verändert. Andere möchten Bewährtes auf dem Weg der Veränderung nicht verlieren. Sich auf dem Grat zwischen Bewährtem und Neuem zu bewegen ist ein Balanceakt, bei dem es zu beachten gilt: Auf zügige Veränderung zu setzen, ist nicht grundsätzlich gut, und auf Bestehendes zu beharren, ist nicht grundsätzlich schlecht. Ziel ist, alle mitzunehmen, mit der Geschwindigkeit, die möglich ist.
Ausblick: Transfer zum ganzen Team
Im Verlauf des Jahres 2024 startet der Transfer der neuen Zusammenarbeitsformen zu den Mitarbeitenden. In einem ersten Schritt ist die Einführung von Rollen geplant, welche spezifische Aufgaben, Befugnisse und Verantwortungen beinhalten. Denkbar sind beispielsweise Rollen für medizinische Grundpflege, pädagogische Verantwortung einer Wohngruppe oder Sauberkeit/Hygiene. Mitarbeitende können eine dieser Rollen übernehmen. Der gesamte Transferprozess wird sich über die nächsten Jahre erstrecken und erfolgt nach und nach. Daran schliesst ein ständiger Weiterentwicklungsprozess an.
Weitere Auskünfte zur Organisationsentwicklung der Stiftung Scalottas:
Ruedi Staubli, Vorsitzender Geschäftsleitung
081 632 18 18, ruedi.staubli@scalottas.ch